Wenn wir einen Mückenstich aufkratzen, können wir ein enormes Gefühl der Erleichterung empfinden, und Experten wissen bereits, warum: Das Kratzen aktiviert eine Immunreaktion, die die Haut vor schädlichen Infektionen schützt - zumindest bei Mäusen. Die Ergebnisse könnten auch erklären, warum Menschen ein gutes Kratzen als befriedigend empfinden. "Das wirklich Spannende an dieser Forschung ist, dass wir jetzt die molekulare Grundlage dafür kennen, wie Kratzen eine Entzündung auslöst", sagt Aaron Ver Heul, ein Immunologe an der University of Washington, der nicht an der Studie beteiligt war.
Fast alle Tiere kratzen, obwohl übermäßiges Kratzen die Haut schädigen kann. Die klassische Erklärung für die Nützlichkeit dieser Tätigkeit ist, dass durch das Kratzen Parasiten und Reizstoffe von der Haut entfernt werden. "Aber wir haben immer gedacht, dass es auch andere Gründe dafür geben könnte", sagt Ver Heul. Schließlich sind manche Parasiten, wie zum Beispiel Mücken, längst vom Ort des Geschehens verschwunden, wenn der Juckreiz einsetzt.
Um dem Kratzen auf den Grund zu gehen, färbten Dan Kaplan, Hautimmunologe an der Universität von Pittsburgh, und Kollegen die Ohren von Mäusen mit einem synthetischen Allergen. Dadurch wurde eine Form der Dermatitis ausgelöst, die als allergische Kontaktdermatitis bezeichnet wird. Wenn die Mäuse sich kratzten, schwollen ihre Ohren an und füllten sich mit neutrophilen Granulozyten, einer Art von Immunzellen.
Bei Mäusen, die ein winziges Zäpfchen gegen das Kratzen auf dem Kopf erhielten, schwollen die Ohren jedoch weniger an und enthielten weniger neutrophile Zellen als bei den Mäusen, die sich nicht kratzten. Genetisch veränderte Mäuse ohne Juckreiz wahrnehmende Neuronen zeigten eine ähnlich gedämpfte Reaktion. Mit anderen Worten: Das Experiment zeigte, dass Kratzen allein die Entzündungsreaktion verstärkt.
In weiteren Studien zeigten die Experten auch, dass die schmerzempfindlichen Neuronen in den gekratzten Bereichen einen starken Neurotransmitter, Substanz P, freisetzen. Dies löste die Aktivität wichtiger weißer Blutkörperchen, der Mastzellen, aus, die eine zentrale Rolle bei der Auslösung von Allergiesymptomen spielen. Mastzellen rekrutieren neutrophile Granulozyten auf der verblendeten Haut und lösen so eine Entzündung aus.
Bisher war bekannt, dass Mastzellen durch Allergene direkt aktiviert werden können. Die neuen Forschungsergebnisse zeigen nun, dass Mastzellen auch indirekt aktiviert werden können, nämlich durch Kratzen und die dadurch ausgelöste Schrittfolge. Die durch Neutrophile ausgelöste Entzündung wurde stark verstärkt, wenn die Mäuse durch Kratzen beide Wege aktivierten. Kratzen war also eine Schlüsselkomponente bei der Entstehung von Entzündungen.
Im zweiten Teil der Studie untersuchten die Autoren das Hautmikrobiom der Tiere, d. h. die Menge der Bakterien, die auf der Haut der Mäuse leben. Einen Tag, nachdem sie einem Allergen ausgesetzt waren, hatten Mäuse, die sich kratzen konnten, weniger wahrscheinlich die potenziell gefährlichen Staphylococcus aureus-Bakterien an den Ohren als Mäuse, die sich nicht kratzen konnten oder keinen Juckreiz verspürten. Dies deutet darauf hin, dass Kratzen einen spürbaren antibakteriellen Nutzen hat.
Laut Kaplan ist es jedoch wichtig zu betonen, dass sich die Arbeit auf akuten und nicht auf chronischen Juckreiz konzentrierte. In der Tat kann chronisches Kratzen zu Hautläsionen führen, was S. aureus mehr Spielraum gibt. Ein tieferes Verständnis des Mechanismus des Kratzens könnte jedoch auch Menschen helfen, die unter chronischem Juckreiz leiden, der durch Ekzeme, Diabetes und andere Krankheiten verursacht werden kann. Die Forschung hat gezeigt, dass der Körper über eine spezielle Gruppe von Nerven verfügt, die auf Juckreizsignale reagieren, sowie über eine separate Gruppe von Nerven, die auf das Kratzen mit einer verstärkten Entzündung reagieren. Könnten die Experten diese Nerven trennen und nur auf einen von ihnen einwirken, könnten sie Menschen mit chronischem Juckreiz helfen.