Wenn ein Oktopus einen seiner Arme beschädigt, kann das Glied in zwei Teile gespalten werden, wodurch der Kopffüßer ein zusätzliches Glied erhält. Lange Zeit war jedoch unklar, wie funktionsfähig ein solcher neunter Arm ist oder wie Kraken sich allmählich an die Wiederverwendung ihres beschädigten Arms gewöhnen. Nun hat die Langzeitbeobachtung eines solchen Tieres ergeben, dass dieser neue Arm mehr als nur grundlegende Funktionen erfüllen kann: Er kann sich anpassen, um sich zu verteidigen und sich auf komplexe, sogar gefährliche Aufgaben spezialisieren.
Die Forscher nahmen 24 Videos und fast 6.000 Fotos von einem jungen männlichen Kraken (Octopus vulgaris) vor der Insel Ibiza, Spanien, auf. Das Tier erlitt Verletzungen an fünf seiner Arme, vermutlich bei einer Konfrontation mit einem Raubtier. Die meisten Gliedmaßen des Oktopus wuchsen normal nach, aber sein rechter vorderer Arm spaltete sich in zwei dünnere Kaninchenbeine.
Zunächst benutzte der Krake diesen Arm nicht für riskantere Aktionen wie den Beutefang, sondern rollte ihn unter seinen Körper oder übte andere, nicht aggressive Verhaltensweisen aus. Um jedoch der vermutlich posttraumatischen Reaktion auf die Erinnerung an den Schmerz entgegenzuwirken, gingen die anderen Arme in der Nähe mehr Risiken ein und waren aktiver.
Der verletzte Arm, der in zwei Hälften geteilt wurde, nahm jedoch mit der Zeit immer gefährlichere Aufgaben an, da die beiden Verlängerungen stärker wurden, berichtet das Team, das die Studie durchführte, in der Zeitschrift Animals. Nach einer Weile wurden diese dünneren Arme auch dazu benutzt, verschiedene Objekte zu untersuchen und sich auf Beute zu stürzen und sie zu "umarmen".
Diese Art der Anpassungsfähigkeit, so die Forscher, ist ein sehr nachdrücklicher Beweis dafür, wie belastbar Kraken sind: Ihre Gliedmaßen können auf sensorische Eingaben reagieren, ohne dass ihr Gehirn beteiligt sein muss, so als ob sie eigenständig Entscheidungen treffen würden. Dieses dezentralisierte Verhalten scheint sich auch auf die abgetrennten Arme zu erstrecken, da sie im Laufe der Heilung und der Zeit neue Funktionen übernehmen konnten.