Vor mehr als 160 Jahren beendete der Augustinermönch Gregor Mendel seine Pionierarbeit über genetische Vererbung, nachdem er sieben Merkmale von grünen Erbsen, darunter die Form und Farbe von Samen und Hülsen, eingehend untersucht hatte. Bis heute konnten die Experten jedoch nicht feststellen, welche der letzten drei von Mendel untersuchten Merkmale von Kulturerbsen (Pisum sativum) von welchen Genen gesteuert werden.
Das hat sich nun geändert: In einem Artikel, der am 23. April in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, fügen die Forscher Mendels Geschichte ein neues Kapitel hinzu und eröffnen damit vielleicht eine neue Ära in der genomischen Untersuchung von Erbsen, einer beliebten Quelle für pflanzliche Proteine. Die Experten haben das Referenzgenom von P. sativum im Jahr 2019 veröffentlicht. Diese digitale Sequenz, eine Beschreibung der DNA der Pflanze, sei ein großer Durchbruch, sagt Clare Coyne, eine Pflanzengenetikerin an der Washington State University. Aber die neue Studie sei noch wichtiger und das Ergebnis einer unglaublichen Anstrengung, so die Forscherin.
In einer berühmten Versuchsreihe kreuzte Mendel Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 28.000 Erbsenpflanzen, um zu verstehen, wie ihre Eigenschaften an künftige Generationen weitergegeben werden. Obwohl das Konzept der Gene damals noch nicht existierte, kam Mendel zu dem Schluss, dass Pflanzen vererbbare "Faktoren" an ihre Nachkommen weitergeben, die bestimmen, ob sie die "dominante" oder "rezessive" Version der Faktoren, die so genannten Allele, erben. Forscher untersuchen solche Allele noch heute und haben Tausende von ihnen beim Menschen identifiziert. Viele Merkmale konnten jedoch noch nicht mit einem bestimmten Gen in Verbindung gebracht werden, und das gilt auch für drei der ursprünglich sieben Merkmale in Mendels Erbsen.
Noam Chayut, ein angewandter Pflanzengenetiker am John Innes Centre (JIC) in England und Mitautor der aktuellen Studie, sagte, dass er und der Rest des Teams schon lange von diesem Rätsel fasziniert waren und beschlossen, dass die Sequenzierung und die computergestützten Werkzeuge nun weit genug fortgeschritten waren, um endlich die letzten drei Gene zu untersuchen. Mit Hilfe der Ressourcen des JIC, wo mehr als 3 500 Erbsenvarianten gespeichert sind, und öffentlich zugänglicher Genomdaten hat das Team fast 700 Erbsengenome gesammelt und tief sequenziert. Die Genome enthielten etwa 155 Millionen Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs), was bedeutet, dass sich die DNA-Sequenzen um ein einziges Basenpaar vom Standard- oder "Referenz"-Erbsengenom unterscheiden.
Das Team setzte mehrere Methoden ein, darunter die selektive Züchtung von Erbsenpflanzen und genomweite Assoziationsstudien, um Gene zu identifizieren, die mit den drei verbleibenden Merkmalen in Verbindung stehen. Sie fanden insbesondere heraus, dass die Farbe der Erbsenschoten durch ein Gen reguliert wird, das die Chlorophyll-Biosynthese stören kann, was zu grünen oder gelben Schoten führt. Außerdem identifizierten sie zwei Gene, die wahrscheinlich die Schotenform beeinflussen, indem sie die Dicke der Zellwand der Pflanze beeinflussen. Und sie fanden heraus, dass die Deletion des genetischen Codes an einer bestimmten Stelle in einem anderen Gen zu Veränderungen in der Verzweigung oder Anhäufung von Pflanzenblüten führen kann.
Die komplexe Anwendung mehrerer Methoden bedeutete, dass die Arbeit sechs Jahre dauerte, und Chayut sagt, dass sie nur aufgrund des interdisziplinären Charakters des Teams erfolgreich sein konnte, da jeder das dringend benötigte, aber unterschiedliche Wissen in die Partnerschaft einbrachte. "Der wichtigste und schönste Teil dieser Forschung war die Zusammenarbeit", sagt er.
Laut Jenna Hershberger, Pflanzenzüchterin an der Clemson University in South Carolina, haben die Autoren nicht nur ein historisches Rätsel gelöst, sondern auch einen reichhaltigen Datensatz zusammengestellt, der nicht nur für künftige Studien zur Erbsengenetik, sondern auch für die angewandte Erbsenzucht nützlich sein wird. Neben der Verknüpfung von Genen mit den drei verbleibenden Merkmalen analysierte das Team auch 72 andere landwirtschaftlich relevante Merkmale, und laut Chayut sind in den Daten weitere wichtige Informationen verborgen. Die Daten sind übrigens öffentlich zugänglich.
Der Markt für Erbsenprotein ist der am schnellsten wachsende aller alternativen Proteinquellen und die Forscher sind zunehmend daran interessiert, mehr über die Etablierung produktiver Erbsenpflanzen zu erfahren. Chayut beispielsweise interessiert sich für die Untersuchung von Genen, die mit der Schotengröße, dem Pflanzenertrag und dem Samenproteingehalt zusammenhängen, während Coyne sich auf Gene konzentrieren möchte, die die Krankheitsresistenz steuern.
"Als angewandter Forscher interessiert mich am meisten, wie wir diese Ergebnisse nutzen können, um unsere Kulturpflanzen zu verbessern und zu erhalten, aber es gibt wirklich eine Menge, was wir mit diesen Daten machen können", sagt Chayut. "Ich gehe davon aus, dass ich noch sehr lange mit ihnen beschäftigt sein werde."